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Dieses Thema hat 4 Antworten
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 Mechatronik
Christian Offline

Moderator


Beiträge: 63

10.02.2005 14:16
Induktivitäten Antworten

Allgemeines
Auch wenn es die meistgehaßten Bauelemente sind, kommen Spulen, Drosseln und andere Induktivitäten in elektronischen Schaltungen deutlich häufiger zum Einsatz, als man gemeinhin glaubt. Als Entstördrosseln kommen sie z.B. in Dimmern genauso zum Einsatz wie als Speicherdrosseln und Glättungsdrosseln in den mittlerweise sehr weit verbreiteten Schaltnetzteilen. Zudem werden sie als frequenzbestimmende Bauteile in Frequenzweichen (z.B. für Lautsprecher) und Schwingkreisen verwendet.

Zwar kursiert in Elektronikkreisen der Spruch "Ein guter Elektroniker vermeidet Spulen und Drosseln, wo immer er kann.", aber Induktivitäten besitzen Eigenschaften, auf die man auch in der modernen Elektronik nicht verzichten kann. Die Ablehnung beruht wahrscheinlich hauptsächlich darauf, daß ihre Funktionsweise vielen Leuten mysteriös erscheint, da sie ja nur aus ein bißchen Draht und ggf. einem Kern bestehen und trotzdem scheinbar ganz andere Eigenschaften als ein gerades Stück Draht besitzen. Nachfolgend können Sie erfahren, wie Spulen aufgebaut sind und wie sie funktionieren. Übrigens werden die Begriffe Spule, Drossel und Induktivität häufig mehr oder weniger als Synonyme verwendet, obwohl dies nicht korrekt ist: Eine Drossel ist der Spezialfall einer Spule und der richtige Begriff für das physikalische Bauelement, während der Begriff Induktivität das elektrische Verhalten beschreibt.

Ich habe versucht, die nachfolgenden Erklärungen zu den Grundlagen allgemeinverständlich zu halten. Trotzdem sind sie möglicherweise für völlig unbedarfte Personen "schwere Kost". Beispielsweise kann der Crashkurs über magnetische Felder nur vergessenes Wissen auffrischen oder teilweise vorhandenes Wissen ergänzen. Wer noch nie etwas von magnetischen Feldern gehört hat, dem sei wärmstens empfohlen, sich diese Grundlagen anzueignen, bevor er die Vorgänge in Induktivitäten verstehen will. Rudimentäre Informationen finden Sie beispielsweise in Magnete. Andererseits ist es nicht zwingend erforderlich, die Grundlagen exakt zu verstehen, um mit Induktivitäten arbeiten zu können und Schaltungen mit Induktivitäten zu verstehen.

Christian Offline

Moderator


Beiträge: 63

10.02.2005 14:16
#2 Induktivitäten Antworten

Grundsätzlicher Aufbau einer Spule / Induktivität

Es wird sicher viele Leute sehr wundern, aber die einfachste Induktivität besteht aus einem einfachen, geraden Stück Draht. Die Induktivität ist zwar viel zu gering, um sie mit Amateurmitteln messen zu können, aber ein gerader Leiter eignet sich hervorragend, um die Vorgänge zu erklären. Übliche, in der Elektronik eingesetzte Induktivitäten bestehen zwar aus mehreren, wenn nicht sogar extrem vielen Windungen, aber hier kommt es auf das Prinzip und nicht auf den maximal nachweisbaren Effekt an.

Christian Offline

Moderator


Beiträge: 63

10.02.2005 14:21
#3 Induktivitäten Antworten

Crashkurs magnetische Felder

Ein magnetisches Feld besteht aus in sich geschlossenen ringförmigen Feldlinien. Sie umgeben einen stromdurchflossenen Leiter in konzentrischen Ringen.

Magnetische Feldlinien haben wie ein Wasserstrudel eine Richtung, die im Bild als Pfeil angegeben ist. Sie zirkulieren um den rotbraun dargestellten elektrischen Leiter sozusagen in einer Endlosschleife, denn im Gegensatz zum Wasserstrudel können sie bei einem gleichbleibenden elektrischen Strom nirgendwohin abfließen. Die Feldlinien sind in der Realität infinitesimal dünn ("undendlich dünn") und "unendlich eng" aneinandergepackt, so daß man eine einzelne Feldlinie nicht vermessen sondern nur berechnen kann. Die Feldstärke ist direkt an der Leiteroberfläche am höchsten und nimmt mit wachsendem Abstand überproportional ab. Sie ist zwar in großem Abstand sehr gering, wird aber nie Null. Wie groß die magnetische Feldstärke an der Leiteroberfläche ist, hängt von der Höhe des fließenden Stroms ab. Sie folgt der Stromstärke proportional.

Da es manchmal nicht leicht ist, aufgrund der physikalischen Zusammenhänge sich vor allem die Wirkungsrichtung der magnetischen Felder zu merken, gibt es einige "Eselsbrücken". Eine davon ist die Linke-Hand-Regel: Umfaßt man mit der linken Hand einen elektrischen Leiter, so daß der Daumen in Stromrichtung zeigt, geben die Finger die Richtung der Magnetlinien an. Hierbei gilt es zu beachten, daß die Bewegungrichtung der Elektronen genau umgekehrt zur technischen Stromrichtung ist.

Magnetische Felder werden nicht nur durch bewegte Elektronen erzeugt, sondern sie wirken ihrerseits auf bewegte Elektronen: Bewegte Elektronen werden von magnetischen Feldern in ihrer Bahn abgelenkt bzw. bei geeigneter Anordnung beschleunigt oder abgebremst. Magnetische Felder beeinflussen übrigens nicht nur Elektronen sondern alle elektrisch geladenen Teilchen. Ob das magnetische Feld hierbei durch einen elektrischen Strom erzeugt wird oder durch einen Permanentmagneten, ist hierbei völlig egal.



Christian Offline

Moderator


Beiträge: 63

10.02.2005 14:21
#4 Induktivitäten Antworten

Energie des magnetischen Felds
Bis dato ist noch nicht viel passiert: Wir haben einen Gleichstrom durch einen Leiter fließen lassen, wodurch sich um diesen ein magnetisches Feld bildete. Solange der Strom fließt, ändert sich daran auch überhaupt nichts, egal wie lange man wartet. Aber beim Abschalten passiert etwas, was man auf den ersten Blick nicht erwartet: Der Strom fließt nämlich weiter! Falls irgendetwas den Stromfluß hemmt wie z.B. ein geöffneter Schalter, steigt die Spannung soweit an, bis ein Funke überspringt, so daß der Strom weiterfließen kann. Aber wieso?

Der Grund ist der, daß beim Einschalten ein magnetisches Feld erzeugt wurde, wofür Energie notwendig war. Energie kann man aber niemals verbrauchen sondern immer nur in eine andere Form umwandeln. Beim Einschalten wurde elektrische Energie in magnetische Energie umgewandelt. Wenn man den Strom abschaltet, wird das magnetische Feld nicht weiter aufrechterhalten. Die in ihm gespeicherte Energie muß daher zwangsläufig wieder in eine andere Energieform umgewandelt werden, denn einfach verschwinden kann Energie nicht. In diesem Fall werden die Elektronen im Leiter in Bewegung versetzt (oder genau genommen in Bewegung gehalten, da ja der Strom schon die ganze Zeit am fließen war). Bewegte Elektronen sind jedoch nichts anderes als elektrischer Strom.

Damit fließt der Strom zunächst einmal weiter, obwohl die Stromquelle abgeschaltet wurde. Es handelt sich dabei aber keineswegs um ein perpetuum mobile, denn die im magnetischen Feld gespeicherte Energie ist immer endlich groß und speziell bei einem geraden Stück Draht ist sie extrem gering. Jedes in Bewegung gesetzte/gehaltene Elektron zwackt ein wenig von der magnetischen Feldenergie ab, so daß diese Energie sehr schnell reduziert wird. Wenn ein offener Schalter den Stromfluß verhindern will, erhöht sich die Spannung, bis ein Funke überspringt. Dies ist deshalb der Fall, weil die Elektronen vom magnetischen Feld mit einer bestimmten Energie beaufschlagt werden. Ist genügend Energie vorhanden, können sie problemlos den metallischen Leiter verlassen (genaugenommen nimmt mit steigender Energie die statistische Anzahl der Elektronen zu, die den Leiter verlassen können).

Man kann dies mit einer Wasserpumpe vergleichen, die im Ausschaltaugenblick durch die Massenträgheit noch ein wenig nachläuft: Ist die Abflußseite komplett offen, fördert sie noch ein paar Sekunden Wasser, wobei die Menge stetig abnimmt, bis die Pumpe stehenbleibt. Verschließt man im Abschaltaugenblick zusätzlich den Auslaß, steigt der Druck (hier: Spannung) an, wobei die Pumpe schneller ausläuft, weil für die Druckerzeugung mehr Energie benötigt wird, so daß die Massenträgheitsenergie schneller abgebaut wird. Ist die Massenträgheit hoch, springt entweder der Verschluß ab oder irgendetwas in der Pumpe wird verbogen (entsprechend Funkenüberschlag).

Bei einem relativ kurzen, geraden Stück Draht und Stromstärken von wenigen Ampere ist der Effekt übrigens so gering, daß man ihn mit Amateurmitteln kaum messen kann. Der Grund liegt darin, daß die magnetische Feldstärke nicht sehr hoch ist, wodurch die Spannungserhöhung beim Abschalten erstens extrem kurz und zweitens durch die unvermeidlichen Kabelkapazitäten relativ stark bedämpft ist. Anders sieht die Sache aus, wenn die im magnetischen Feld gespeicherte Energie hoch ist.

Christian Offline

Moderator


Beiträge: 63

10.02.2005 14:22
#5 Induktivitäten Antworten

Induktivität
Bisher wurde davon ausgegangen, daß der Strom bereits fließt, so daß wir uns nur auf den Ausschaltvorgang konzentriert haben. Beim Einschalten spielt sich jedoch ein ganz ähnlicher Effekt ab: Wenn man eine Spannung UB an den Leiter anlegt, würde man vermuten, daß sofort ein Strom Imax fließt, den man mittels des ohmschen Gesetzes aus der Spannung und dem Widerstand des Leiters berechnen kann. Dies ist jedoch nicht der Fall, vielmehr steigt der Strom zuerst mit einer bestimmten Geschwindigkeit an und erreicht mit immer geringerer Geschwindigkeit den durch das ohmsche Gesetz berechneten Wert, wie dies in Bild 2 dargestellt ist. Der Grund hierfür ist, daß im Einschaltaugenblick durch die ersten fließenden Elektronen ein kleines magnetisches Feld hervorgerufen wird, denn bewegte Ladungen erzeugen ein magnetisches Feld. Dieses magnetische Feld bremst seinerseits weitere Elektronen, d.h. es können sich nicht schlagartig beliebig viele Elektronen auf den Weg durch den Leiter machen. Stattdessen ist die Anstiegsgeschwindigkeit, d.h. die Stromzunahme pro Zeiteinheit begrenzt. Bei fehlendem ohmschen Widerstand ist dieser Zusammenhang linear, d.h. der Strom nimmt linear zu, wobei die Stromzunahme pro Zeiteinheit von der angelegten Spannung (diese treibt die Elektronen an) und der sogenannten Induktivität abhängt.

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