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Dieses Thema hat 13 Antworten
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 Mechatronik
Christian Offline

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Beiträge: 63

10.02.2005 14:31
Elektrogitarre Antworten

Allgemeines

Die Elektrogitarre hat in den 50er und 60er Jahren Klänge möglich gemacht, die man mit einer normalen akustischen Gitarre überhaupt nicht kannte und die im Zusammenhang mit übersteuerten Verstärkern Wegbereiter für die Entwicklung der modernen Rock- und Popmusik war. Aber immer noch umgibt ein mystischer Schleier die E-Gitarre, die den Ruf eines undurchschaubaren High-Tech-Instruments genießt, von dem keiner so recht weiß, wie der spezielle Sound zustande kommt, zumal man mit einiger Übung bekannte Gitarristen nicht nur an der Spielweise sondern oft genug an ihrem typischen Sound erkennen kann. Nachfolgend erfahren Sie, wie eine E-Gitarre funktioniert, welche Faktoren wirklich Einfluß auf den Klang haben und welche nicht.

Christian Offline

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Beiträge: 63

10.02.2005 14:31
#2 Elektrogitarre Antworten

Historie der Elektrogitarre

Bis Mitte der 30er Jahre kannte man ausschließlich akustische Gitarren, wie sie auch heute noch gebräuchlich sind, obwohl man schon Anfang der 20er Jahre nach Möglichkeiten suchte, Gitarren lauter zu machen. Der rein passiven Möglichkeit d.h. Vergrößerung des Volumens sind Grenzen gesetzt, weshalb nur eine elektrische Verstärkung erfolgversprechend war. Mikrofone nehmen allerdings auch Störgeräusche auf und neigen zu Rückkopplungen, weshalb man auf die Idee kam, die Schwingungen der Saiten direkt am Entstehungsort abzugreifen. George Beauchamp und Adolf Rickenbacker entwickelten Anfang der 30er Jahre einen Tonabnehmer, der aus einem Magneten bestand, um den derum eine Spule gewickelt war. Die schwingenden Saiten ändern hierbei die Stärke des Magnetfelds, so daß in der Wicklung eine Spannung entsteht, die man auf einen Verstärker führen kann. Der Tonabnehmer und mit ihm die elektrische Gitarre war geboren. Der Vorteil eines solchen Tonabnehmers ist, daß er nur auf die Bewegung von ferromagnetischem Material (d.h. die Schwingung der Saiten) reagiert und keine anderen Störgeräusche aufnimmt (außer dem allgegenwärtigen Netzbrummen). Die damit ausgerüstete Gitarre, die wegen ihrer extrem unkonventionellen Form "Bratpfanne" genannt wurde, war ab Mitte der 30er Jahre auf dem Markt verfügbar, blieb aber ein Exot. Ungefähr zur gleichen Zeit erschienen mehrere elektrische Gitarren der Firma Gibson. Es handelte sich um akustische Gitarren mit recht voluminösem Korpus, so daß sich auch ohne Verstärkung ein lauter Ton ergab. Da es sich nur um eine Erweiterung einer akustischen Gitarre um einen Tonabnehmer handelt, konnte man sie problemlos auch in der althergebrachten Weise ohne elektrische Verstärkung verwenden.

Der nächste revolutionäre Schritt kam von einem gewissen Leo Fender, der eine Gitarre kostruierte, die keinen Resonanzkörper besaß sondern nur ein Stück Brett. Diese erschien 1948 als Broadcaster und wurde 2 Jahre später in Telecaster umbenannt. Sie erlangte schon bald Weltruf. Es folgte 1954 der Knaller in der Historie der Elektrogitarren, der wohl wirklich auch dem unkundigsten Hörer von Pop- und Rockmusik bekannt sein dürfte: Die legendäre Stratocaster, die zudem die erste kommerziell erhältliche E-Gitarre mit Vibratohebel war (auch umgangssprachlich Jammerhaken oder fälschlicherweise Vibrato genannt). Die Firma Gibson sah sich in Zugzwang und brachte 1952 als Antwort auf die innovative Fender Telecaster mit der Les Paul die erste Solid-Body-Gitarre von Gibson auf den Markt, damals noch mit Single-Coil-Tonabnehmer. Die berühmten, von Seth Lover entwickelten Humbucker (dazu später), die unempfindlich gegenüber dem allgegenwärtigen Netzbrummen waren, kamen ab 1957 in der Les Paul zum Einsatz. Kleine Anekdote am Rande: Der Name PAF, unter dem diese Tonabnehmer heute bekannt sind, ist nichts anderes als die Abkürzung für "Patent Applied For", also "Patent beantragt", d.h. einem Aufdruck, der nur davor warnen sollte, Kopien herzustellen.

Zwar hatten im Laufe der Jahre nicht nur diese Firmen zahlreiche neue Modelle aufgelegt, aber den fantastischen Erfolg der o.g. 3 Modelle konnte keine andere Elektrogitarre wiederholen. Man kann sie nicht nur auch heute noch kaufen, vielmehr teilen sich insbesondere die Stratocaster und die Les Paul inklusive der zahlreichen Nachbauten oder Abwandlungen anderer Firmen stückzahlmäßig fast den kompletten Markt.

Christian Offline

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Beiträge: 63

10.02.2005 14:32
#3 Elektrogitarre Antworten

Mechanischer Aufbau einer Elektrogitarre

Grob gesagt besteht eine Solid-Body-Gitarre aus einem Brett, das eine nahezu beliebige Kontur besitzen kann. Darauf aufgeschraubt ist der Steg, über den die Saiten laufen. An dieses Brett, den Korpus, angeschraubt (z.B. Stratocaster) oder in dieses Brett eingeleimt (z.B. Les Paul) ist der Hals, an dem meistens auch die Mechaniken zum Stimmen der Saiten angebracht sind. Bei manchen Gitarren geht der Hals auch durch bis zum Steg, wovon man sich einen länger anhaltenden Ton (Sustain) verspricht. Im Vergleich zu eingeschraubten Hälsen mag dies zutreffen, aber im Vergleich zu einem handwerklich korrekt eingeleimten Hals ist zumindest von der Theorie her bei sonst gleichen Rahmenbedingungen kein Unterschied zu erwarten, da eine gute Klebestelle eine höhere Festigkeit und geringere Dämpfung besitzt als Holz. Da es sich aber dem ersten Anschein nach plausibel anhört, kann man solche Gitarren für mehr Geld verkaufen. Zwischen Steg und Hals sind meistens zwischen ein und drei Tonabnehmer angebracht, entweder von hinten durchgesteckt (dann Abdeckplatte auf der Rückseite) oder auf einer Trägerplatte, die gleichzeitig auch als Schlagbrett dient.

Christian Offline

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Beiträge: 63

10.02.2005 14:33
#4 Elektrogitarre Antworten

Tonabnehmer (Pickup)
Hier wird mal wieder deutlich, wie eine gute Werbeabteilung aus ein paar simplen Magneten und ein wenig Kupferdraht ein Mysterium macht: Sämtliche Gitarrentonabnehmer sind recht ähnlich aufgebaut. Im Prinzip muß man nur einen Stabmagneten mit Kupferdraht bewickeln und hat schon einen Tonabnehmer für eine einzige Saite. Statt 6 einzelne Tonabnehmer zu verwenden, nimmt man aus Gründen der Materialersparnis und auch aus Platzgründen (Wickelraum) oft sechs Stabmagnete und wickelt um diese gemeinsam eine einzige Spule, wobei eine Papp- oder Kunststoffhalterung verhindert, daß sich die Magnete und die Spule gegeneinander bewegen können.

Alternativ zu einzelnen Stabmagneten kann man auch einen Balkenmagneten (oder deren zwei) verwenden und das Magnetfeld mit ferromagnetischen Stäben oder besser Einstellschrauben durch die Spule führen wie in Bild 2 dargestellt. Im letzten Fall kann man die Lautstärke der einzelnen Saiten dadurch angleichen, daß man den Schraubenkopf durch Rein- oder Rausdrehen mehr oder weniger dicht zur Saite positioniert. Bei Pick-Ups mit Stabmagneten ist das weniger komfortabel oft nur durch einen kleinen Hammer möglich, mit dem man die Magnete durch sanfte Schläge weiter weg von den Saiten bewegen kann. Ist der Magnet zu weit nach unten durchgerutscht, muß man z.B. bei der Stratocaster den Tonabnehmer ausbauen, damit man an die andere Seite rankommt.

Die Wirkungsweise ist folgende: Der Magnet sorgt ohne äußere Einflüsse für ein statisches magnetisches Feld. Die Spule liefert keine Ausgangsspannung, weil nur dann eine Spannung induziert wird, wenn sich das Magnetfeld ändert. Und genau dies passiert, wenn sich eine ferromagnetische Saite dicht über dem Magnetpol bewegt. Die Änderung des magnetischen Flusses ist zwar sehr gering, reicht jedoch aus, um bei einer entsprechend hohen Windungszahl eine Spannung von normalerweise einigen zig Millivolt zu erzeugen. Falls Sie mehr erfahren möchten, wie und warum das so funktioniert, finden Sie weitere Infos unter Magnete. Die Feldstärkeänderung und damit die induzierte Spannung ist dabei am größten, wenn die Saite zum Pol hin- und wieder zurückschwingt anstatt seitlich hin und her.

Oft wird damit geworben, daß in den Pick-Ups ganz spezielle Magnete mitunter sogar aus seltenen Erden (z.B. Neodym) verwendet werden. Abgesehen davon, daß sich dadurch nur die "Stärke" des Magneten beeinflussen läßt, haben solche Magnete keinerlei Einfluß auf die Ausgangsspannung oder gar den Klang: Denn die ferromagnetischen Saiten dürfen vom Magneten nicht so stark angezogen werden, daß ihre Schwingung nennenswert beeinflußt wird, weil sie sonst unrein klingen. Bei besonders starken Magneten muß man demzufolge den ganzen Tonabnehmer weiter weg von den Saiten positionieren als bei relativ schwachen Magneten, was eine Reduzierung der Ausgangsspannung verglichen mit einem gleichem Abstand zur Folge hat, so daß sich unterm Strich keine höhere Ausgangsspannung ergibt. Extrastarke Magnete haben daher keine Vorteile. Und klanglich kann sich kein Magnet auswirken, weil er lediglich ein Magnetfeld erzeugt. Dem Magnetfeld wiederum ist es völlig egal, ob es durch einen relativ teuren Neodymmagneten oder einen billigen Ferritmagneten erzeugt wird. Es gibt nur einen einzigen theoretischen Einflußfaktor: Die Wirbelströme, die im Magneten bei Änderung des magnetischen Flusses, d.h. hier durch Saitenschwingung, entstehen. Aber hier sind gerade die elektrisch kaum leitenden Ferritmagnete (gern auch Keramikmagnet genannt, um das Gefühl einer höheren Wertigkeit zu erzeugen) den teuren, aber elektrisch gut leitenden Kollegen wie z.B. den zu Unrecht mystifizierten AlNiCo-Magneten haushoch überlegen, weil bei Ihnen die Wirbelströme vernachlässigbar gering sind. Die ganze Diskussion um das Magnetmaterial ist daher ganz großer Unsinn und hat nur Geldmacherei zum Ziel. Insbesondere kann kein Magnet dieser Welt "warm" klingen, denn ein Magnet hat keinen Frequenzgang. Die Ursachen für den "warmen Klang" eines Tonabnehmers sind immer ganz andere (siehe Tonabnehmer-Sound).

Der große Nachteil eines solchen Tonabnehmers ist seine Anfälligkeit gegenüber niederfrequenten magnetischen Feldern, wie sie beispielsweise von Netztransformatoren und Vorschaltdrosseln von Leuchtstofflampen erzeugt werden. Zur Erinnerung: Bei sich ändernden Magnetfeldern wird in der Spule eine Spannung induziert. Daher wird auch durch diese Störfelder eine Spannung im Tonabnehmer induziert. Dies kann man leicht vermeiden, indem man folgenden Trick verwendet: Man verwendet statt eines einzigen gleich zwei Tonabnehmer und schaltet diese umgekehrt gepolt in Reihe (also hintereinander). Dies bewirkt, daß ein äußeres Magnetfeld zwar in beiden Spulen eine Spannung induziert, diese Spannungen sich aber wegen der umgekehrten Polung der Spulen gegeneinander aufheben und somit am Ausgang keine Spannung abgegeben wird. Das gleiche passiert auch mit dem Nutzsignal, was selbstverständlich unerwünscht ist. Hier kann man aber einfach Abhilfe schaffen, indem man die Polung der Magnete in einer Spule umdreht. Dadurch produziert diese Spule ein eigentlich umgekehrt gepoltes Nutzsignal, das durch die umgekehrte Polung der Spule aber wieder richtig herum gepolt ist. Somit erscheint am Ausgang eine doppelt so hohe Spannung wie bei nur einer Spule. Solche Tonabnehmer nennt man Humbucker oder "humbucking pick ups". Sie kommen beispielsweise in der Gibson Les Paul zum Einsatz, wobei man sie dort mit einem Blechgehäuse umgeben hat. Die Einzelspulen-Pick-Ups haben natürlich ebenfalls eine griffige englische Bezeichnung: Sie werden "single coil pickup" genannt.

Christian Offline

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10.02.2005 14:34
#5 Elektrogitarre Antworten

Sound

Jeder Gitarrenhersteller wirbt mit dem besonders guten Sound, den seine Gitarren erzeugen. Oft wird dies sowohl mit besonders edlen Hölzern als auch mit besonderen Eigenschaften der verwendeten Tonabnehmer begründet. Hier ist leider ziemlich viel Hokuspokus im Spiel, und eine billige Elektrogitarre muß nicht unbedingt schlechter klingen als eine teure, wobei über die Fertigungsqualität natürlich nichts gesagt ist. Letztere hat hauptsächlich Einfluß auf die Bespielbarkeit und die optische Anmutung aber kaum auf den Sound, wenn man einmal davon absieht, daß ein schlampig eingeschraubter Hals sich negativ auf das Sustain (=Länge des Ausschwingvorgangs) auswirkt. Leider gibt es Billigstgitarren, bei denen nicht nur die Fertigungsqualität überhaupt nicht stimmt, sondern die aus weichen Hölzern hergestellt werden, die man im Gitarrenbau eigentlich tunlichst vermeiden sollte. Sowas ist jedoch mittlerweile selbst im 100-Euro-Segment eher selten geworden.


Christian Offline

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10.02.2005 14:34
#6 Elektrogitarre Antworten

Holz

Eine Solid-Body-Elektrogitarre hat keinen Resonanzkörper. Deshalb hängt der Klang nur von dem Schwingungsverhalten der Saite selbst und den Wiedergabeeigenschaften des Tonabnehmers und der gesamten Wiedergabekette inklusive Lautsprecher und Raumakustik ab. Das Schwingungsverhalten der Saite wird wiederum in relativ geringem Umfang vom Holz beeinflußt. Ideal wäre, wenn die beiden Auflagepunkte der Saite (Steg und Bünde) unendlich steif miteinander verbunden wären, weil dann das Ausschwingverhalten der Saite nicht durch das geringe Mitschwingen der "Halterung" beeinflußt wird.

In der Praxis gibt es aber keine unendlich steifen Materialien, so daß vor allem der relativ dünne Hals ein klein wenig mitschwingt und der Saite mehr oder wenig stark Energie entzieht und damit abdämpft. Der Grad des Mitschwingens ist sowohl von den Materialeigenschaften und den geometrischen Abmessungen des Halses als auch von der Anregungsfrequenz, also der Schwingungsfrequenz der Saite, abhängig. Dies hat einen gewissen Einfluß auf das Ausklingverhalten d.h. die Zeit, "wie lange der Ton stehenbleibt" und auch darauf, wie stark bzw. schnell die die einzelnen Oberwellen im Laufe dieser Zeit gedämpft werden. Die Ausführung und das Material des Halses haben daher einen großen Einfluß auf das Ausschwingverhalten.

Der Korpus selbst ist im Vergleich zum Hals sehr dick und hat daher im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung bei Solid-Body-Elektrogitarren keinen nennenswerten Einfluß auf den Klang. Maßgebend für den klanglichen Einfluß ist vor allem die Biegesteifigkeit, in deren Wert die Dicke mit der dritten Potenz eingeht - also keineswegs linear, wie oft angenommen wird. Sie können dies sehr einfach nachvollziehen, wenn Sie den Kraftaufwand einer Holzlatte mit quadratischem Querschnitt mit einer Latte mit rechteckigem Querschnitt und gleicher Breite vergleichen. Ist der Korpus dreimal so dick wie der Hals, ist bei gleichem Material und gleicher Breite die Biegesteifigkeit satte 27mal so groß! Hinzu kommt, daß die Breite zusätzlich linear in das Ergebnis eingeht. Wenn der Korpus also nicht nur dreimal so dick sondern auch viermal so breit wie der Hals ist, ergibt sich eine mehr als 100fache höhere Biegesteifigkeit. Dieses Ergebnis wird wegen der Ausfräsungen für die Tonabnehmer in der Praxis nicht ganz erreicht, zeigt aber ganz klar die Tendenz. Wichtig ist für den Korpus nur, daß er nicht aus sehr weichem Material mit hoher innerer Dämpfung hergestellt wird. Spanplatten wären daher ein denkbar ungeeignetes Material. Verschiedene, im Gitarrenbau übliche Harthölzer wird man hingegen klanglich nicht unterscheiden können. Insbesondere spielt eine dünne Deckschicht aus besonderem Holz wie z.B. dem beliebten Vogelaugenahorn aus klanglicher Sicht keine Rolle, macht sich aber optisch natürlich positiv bemerkbar.

Auch ist es absoluter Unsinn, daß sich der Lack bei Solid-Body-Gitarren klanglich auswirkt. Dieses nicht selten gehörte Mißverständnis geht darauf zurück, daß bei Saiteninstrumenten mit Resonanzkörper dem Lack tatsächlich sehr große Bedeutung zukommt und man dies in Unkenntnis der Sachlage auch bei Solid-Body-Gitarren annimmt. Aber bei akustischen Saiteninstrumenten ist das Holz kaum mehr als einen oder zwei Millimeter dick und wird zum Teil vom Lack durchtränkt, wodurch sich die Biegesteifigkeit und damit das Schwingungsverhalten sehr stark ändert. Bei mehrere Zentimeter dickem Holz spielt die dünne Lackschicht aber keine hörbare Rolle.

Leider halten sich nicht nur die o.g. unzutreffenden Gerüchte hartnäckig, weil im Handel keine absolut baugleichen E-Gitarren angeboten werden, die sich nur durch ein einziges Detail wie z.B. ein anderes Holz für den Korpus unterscheiden. Vielmehr wird oft Gitarre A mit Gitarre B verglichen und der klangliche Unterschied vor allem auf ein besonderes Detail zurückgeführt ohne zu berücksichtigen, daß es noch viel mehr konstruktive Unterschiede gibt, von denen viele zudem nicht augenscheinlich aber klangbestimmend sind. Um es einmal anhand eines Vergleichs zu sagen: Wenn man nicht so genau weiß, wie Autos funktionieren, könnte man auf die Idee kommen, daß ein Porsche Turbo vor allem wegen seines großen Heckspoilers schneller fährt als ein VW Golf, da der ahnungslose Beobachter den eminent wichtigen Motor gar nicht sieht. Genauso lächerlich wie dieses Beispiel ist leider auch so manche Argumentation von Klangunterschieden.

Christian Offline

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10.02.2005 14:34
#7 Elektrogitarre Antworten

Tonabnehmer

Bei den Tonabnehmern hat sowohl der mechanische Aufbau als auch die Anordnung auf der Gitarre (Abstand vom Steg!) und die äußere Beschaltung sehr großen Einfluß auf den Frequenzgang und daher den Klang. In den Anfängen benötigte man relativ viel Spannung, um einen Verstärker ordentlich auszusteuern. Deshalb hatte es sich eingebürgert, daß Gitarrentonabnehmer sehr viele Windungen aus extrem dünnem Draht erhielten (je mehr Windungen desto höhere Spannung). Üblich waren und sind heute noch zwischen 5000 und 10.000 Windungen. Neben dem Gleichstromwiderstand des Wickeldrahts, den man mit einem Digitalmultimeter leicht messen kann und üblicherweise einige Kiloohm beträgt, besitzt der Tonabnehmer eine Induktivität im Bereich einiger Henry und, was viele überraschen wird, eine Wicklungskapazität im Bereich von einigen zig Picofarad. Dieses ganze Gebilde wirkt nicht nur als Tonabnehmer sondern auch als gedämpfter Schwingkreis mit Tiefpaßverhalten, der eine bestimmte Resonanzfrequenz besitzt.

Christian Offline

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10.02.2005 14:37
#8 Elektrogitarre Antworten

Der relativ weiche Klang einer Gibson Les Paul kommt durch die relativ niedrige Resonanzfrequenz in Verbindung mit einer nur geringen Resonanzüberhöhung zustande, während die höhere Resonanzfrequenz einer Fender Stratocaster einen insgesamt etwas härteren und die im unbedämpftem Fall sehr hohe Resonanzüberhöhung gleichzeitig einen sehr schneidenden Klang ergibt. Der typische, metallische Fender-Sound entsteht beispielsweise bei 4 kHz und einer hohen Resonanzüberhöhung. Grundsätzlich gilt, daß der Klang umso kühler wird, je höher die Resonanzfrequenz ist. Oberhalb von etwa 5 kHz wird der Ton mehr und mehr glasig, hart und ausdruckslos.

Fast immer wird die Klangerzeugung als Geheimwissenschaft dargestellt und als Beleg dafür dargelegt, daß sich z.B. Magnetmaterial, Drahtdurchmesser, Isoliermaterial des Drahts und Windungszahl auf den Klang auswirken. Dies ist zwar absolut richtig aber noch lange kein Mysterium und sogar recht leicht berechenbar, wenn man (wie der Hersteller) die Daten zur Verfügung hat: Die Anzahl der Windungen beeinflußt Induktivität und Kapazität, das Isoliermaterial und dessen Dicke nur die Kapazität und der Magnet durch seine Permeabilität nur die Induktivität. Ob von Hand oder maschinell gewickelt wird, ist ebenfalls wichtig. Denn von Hand bekommt man keine saubere Wicklung hin, d.h. die Windungen liegen nicht geordnet nebeneinander sondern sind wirr durcheinander, was eine geringere Wicklungskapazität ergibt. Leider ist dabei aber kein Tonabnehmer wie der andere, weil man von Hand nicht zweimal das absolut gleiche Wirrwarr zustande bringen kann. Wenn man wollte, könnte man dies zwar auch maschinell optimieren und die geringstmögliche Kapazität erreichen, was z.B. bei Hochfrequenzspulen für Radioempfänger (sogenannte Kreuzwickelspulen) systematisch und 100% reproduzierbar gemacht wird. Dazu besteht aber keine Notwendigkeit. Der Drahtdurchmesser bestimmt zusammen mit der Anzahl der Windungen den Wicklungswiderstand. Und dies alles ist zusammen mit der Außenbeschaltung (Potentiometer für Lautstärke und Klang, Kabelkapazität etc.) für die Resonanzfrequenz und die Resonanzüberhöhung sprich den Klang maßgebend.

Man kann Induktivität, Widerstand und Kapazität über die Anzahl der Windungen, Drahtdicke, Isoliermaterial, Magnetmaterial etc. so einstellen, daß sich bei der richtigen Belastung der richtige Klang ergibt und eine Menge Gerüchte über die Gründe für den tollen Klang in die Welt setzen. So machen es die Pickup-Hersteller. Man kann aber auch einen beliebigen Tonabnehmer wie in Klangverbesserung beschrieben extern geeignet beschalten. Man kann auf die beschriebene Weise alle wichtigen Parameter mit sehr preiswerten externen Bauteilen einstellen und den Klang nach Belieben beeinflussen. Ein gibt absolut keine Klangunterschiede zu einem Tonabnehmer, der so gewickelt ist, daß er ohne externe Bauteile die gleiche Resonanzfrequenz und die gleiche Resonanzüberhöhung besitzt.

Keramikmagneten schreibt man beispielsweise einen eher schrillen Klang (=hohe Güte sprich große Resonanzüberhöhung) und AlNiCo-Magnete einen warmen Klang (=geringe Güte sprich geringere Resonanzüberhöhung) zu. Nebenbei bemerkt: Schade nur, daß dies z.B. die Tonabnehmer einer Stratocaster nicht wissen und unbelastet eine sehr hohe Resonanzüberhöhung besitzen, was den bekannten, markanten Fender-Klang ergibt. Aber wie dem auch sei, kann man bei Tonabnehmern mit hoher Güte mit einem schnöden Widerstand für weniger als 5 Cent parallel zur Spule die Güte beliebig verringern und damit sozusagen das Magnetmaterial ändern. Windungszahl, Drahtdurchmesser, Isoliermaterial und Wicklungsart sind ebenso unwichtig, wenn man die Klangfarbe sprich Resonanzfrequenz mit einem Kondensator auf den richtigen Wert einstellt. Wie das geht und wie man auch aus Tonabnehmern von Billiggitarren einen kaum für möglich geglaubten Klang herauskitzelt, erfahren Sie in Klangverbesserung.

Christian Offline

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10.02.2005 14:37
#9 Elektrogitarre Antworten

Reglereinstellung

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß Ihre E-Gitarre einen anderen Klang besitzt, wenn Sie den Lautstärkeregler an der Gitarre voll aufdrehen und den Verstärker entsprechend runterregeln, als wenn Sie die Laustärke an der Gitarre reduzieren und den Verstärker weiter aufdrehen, um eine gleiche Laustärke zu erhalten. Dies liegt nicht an ihrem Verstärker sondern daran, daß auch z.B. das Kabel zwischen Gitarre und Verstärker eine geringe Kapazität darstellt, die bei entsprechender Reglereinstellung parallel zur Wicklungskapazität der Pick-Ups liegt und damit die Resonanzfrequenz erniedrigt. Dies gilt natürlich nicht für Elektrogitarren mit sogenannter "aktiver Elektronik".

Somit ist es auch kein Märchen, daß die Gitarre bei Verwendung eines anderen oder eines längeren/kürzeren Kabels (mit einer anderen Kapazität!) auch tatsächlich anders klingt. Der mit einem bestimmten Kabel erzielte gute Klang ist allerdings nicht Resultat eines besonders hochwertigen Kabels, sondern läßt sich absolut identisch mit jedem beliebigen anderen Kabel erzielen, indem man die Länge so wählt, daß die Kabelkapazität gleich ist. Der ohmsche Widerstand und die Induktivität des Kabels sind übrigens derart gering, daß sie in keinster Weise wirksam werden.

Christian Offline

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10.02.2005 14:38
#10 Elektrogitarre Antworten

Anordnung der Tonabnehmer

Wenn Ihre Elektrogitarre mehrere baugleiche Tonabnehmer besitzt, produziert der stegnahe einen anderen Klang als der nahe am Griffbrett positionierte. Die Ursache liegt darin, daß die eigentliche Tonerzeugung durch die Saiten erfolgt und die Schwingungen an jeder Stelle der Saiten anders ist. Aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten bilden sich auf einer Saite stehende Wellen aus, und zwar neben der Grundwelle auch Obertöne. Um den Vorgang zu verstehen hier ein kurzer Ausflug in die Physik:

Die Saite ist an beiden Enden fest eingespannt, an einer Seite am Steg und auf der anderen Seite am Hals bzw. an einem Bund durch Runterdrücken der Saite auf das Griffbrett. Sie kann sich daher dort überhaupt nicht bewegen. Die Grundwelle und damit der tiefste Ton wird dadurch gebildet, daß die Saite in der Mitte hin- und herschwingt, wie in Bild 5a dargestellt. Das ist aber nicht die einzige Schwingungsart, die eine Saite vollziehen kann: Sie kann auch so schwingen, daß es 2 Schwingungsbäuche mit einem Totpunkt genau in der Mitte gibt. Resultat ist genau die doppelte Frequenz der Grundwelle. Dieses Spielchen kann man mit allen ganzen Zahlen fortführen. Daß dies auch in der Praxis so ist, können Sie leicht nachvollziehen: Regen Sie eine Saite zum Schwingen an und berühren kurz mit dem Finger die Mitte der Saite. Die Grundwelle wird dadurch komplett beseitigt. Übrig bleibt ein Gemisch an geradzahligen Vielfachen der Grundfrequenz, die man in Musikerkreisen Flageollet-Töne nennt. Warum geradzahlig? Nun, ungeradzahlige Vielfache der Grundfrequenz haben einen Wellenbauch genau in der Mitte der Saite und werden durch das Unterbinden von Schwingungen an diesem Ort komplett unterbunden. Insgesamt betrachtet, schwingt eine Saite bei geeigneter Anregung gleichzeitig auf allen physikalisch möglichen Frequenzen, d.h. der Grundwelle und allen ganzzahligen Oberwellen.

Christian Offline

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10.02.2005 14:40
#11 Elektrogitarre Antworten

Zusammenschaltung bzw. Typ der Tonabnehmer

Bei vielen Elektrogitarren kann man mehrere Tonabnehmer zusammenschalten. Hierbei treten Interferenzerscheinungen auf, weil bei bestimmten Frequenzen ein Tonabnehmer ein gleichgroßes aber entgegengesetzt gepoltes Signal erzeugt wie ein anderer. In diesem Fall heben sich beide Signale auf. Dieser Effekt tritt auch bei den oben beschriebenen Humbucking-Pickups auf, weil es sich hierbei ebenfalls um die Zusammenschaltung von 2 Tonabnehmern handelt.Dadurch können diese bestimmte hohe Töne nicht wiedergeben und klingen deshalb grundsätzlich weicher als Single-Coil-Pick-Ups.

Christian Offline

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10.02.2005 14:40
#12 Elektrogitarre Antworten

Saiten

Als Saiten kommen präzise gefertigte Drähte aus ferromagnetischem Material zum Einsatz. Für die tiefer klingenden Saiten sind diese zusätzlich mit einem dünneren Draht bewickelt. Eine Besonderheit sind mit halbrunden Draht bewickelte Saiten, die beim Umgreifen nicht quietschen und daher vor allem für nicht so geübte Gitarristen zu empfehlen sind. Es gibt unzählige Marken und noch viel mehr Ausführungsformen. Je dicker eine Saite ist, desto höher muß der Zug (d.h. die Kraft, mit der sie gespannt wird) sein, damit sie unter sonst gleichen Bedingungen die gleiche Frequenz erzeugt wie eine dünnere. Eine dickere Saite schwingt langsamer aus als eine dünne, weil bei gleicher Amplitude durch die höhere Masse mehr Energie in der schwingenden Saite steckt, die per Luftreibung etc. langsam abgebaut wird. Gleichzeitig nimmt die Amplitude der Oberschwingungen aber schneller ab als bei einer dünnen Saite, weil eine dicke Saite sich schwerer biegen läßt und mit zunehmender Frequenz die Biegeverluste zunehmen. Durch die weniger starken Oberwellen klingen dicke Saiten voller und weicher, was für manche Sounds durchaus erwünscht ist, für andere sich aber negativ auswirkt. Im Gegenzug lassen sich dünne Saiten besser "ziehen", d.h. man kann durch seitliches Verschieben auf dem Bund leichter und extremer die Tonhöhe ändern.

Deshalb bieten viele Hersteller unterschiedlich dicke Saitensätze an, wobei es auch solche gibt, bei denen die Baßsaiten besonders dick und die für die hohen Töne besonders dünn sind ("light top and heavy bottom") oder umgekehrt. Die Saiten haben einen relativ großen Einfluß auf den Grundklang der E-Gitarre, weshalb man ihnen genügend Aufmerksamkeit widmen sollte. Allerdings ist es auch so, daß die Saiten umso unwichtiger werden, je verzerrter die Gitarre gespielt wird bzw. je mehr der Klang anderweitig verfremdet wird.

Wenn Sie (ohne Übersteuerung!) einen unreinen Klang bemängeln, können daran durchaus die Saiten Schuld sein, die ungleich bewickelt sein können. Es kann aber auch sein, daß die Tonabnehmer zu nah an den Saiten montiert sind und mit ihrem starken Magnetfeld die Schwingung negativ beeinflussen. Oft klagen Gitarristen auch über einen wenig brillianten Klang. Abgesehen vom Tonabnehmer incl. kompletter Wiedergabekette bis hin zum Lautsprecher kann dies ebenfalls an den Saiten liegen. Abgesehen davon, daß es schlechte Saiten gibt, altern auch qualitativ hochwertige Saiten infolge Korrosion und Verschmutzung. Folge ist eine höhere Dämpfung, die sich insbesondere auf hohe Frequenzen auswirkt, wodurch diese matt und farblos klingen.

Christian Offline

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10.02.2005 14:41
#13 Elektrogitarre Antworten

Wiedergabekette

Bislang wurden diejenigen Komponenten betrachtet, aus denen eine E-Gitarre besteht. Im Gegensatz zu einer akustischen Gitarre gehören bei einer E-Gitarre Verstärker und Lautsprecher jedoch mit zum Instrument, weil beide stark damit zu tun haben, welcher Klang letztendlich hinten herauskommt: Ein Verstärker kann beispielsweise linear betrieben werden oder aber verzerrend, wodurch im letzten Fall u.U. unzählige weitere Oberwellen erzeugt werden. Und der Lausprecher hat meistens einen ziemlich krummen Frequenzgang, der für Elektrogitarren eher mittenbetont ist mit meistens nicht so viel Baß und einem recht starken Höhenabfall, was den gewünschten Klang unterstützt. Da es sowohl Verstärker als auch Lautsprecher in mitunter zwar ähnlichen, z.T. aber sehr unterschiedlichen Bauformen erhältlich sind, klingen sie auch anders. Bei Verstärkern trifft dies nur sehr wenig auf den linearen sondern fast ausschließlich auf den übersteuerten Betrieb zu.

Christian Offline

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Beiträge: 63

10.02.2005 14:41
#14 Elektrogitarre Antworten

Resümee

Von den beeinflußbaren Elementen haben (abgesehen von den Saiten) die Tonabnehmer, die gitarreninterne Verschaltung und die Kombination aus Verstärker und Lautsprecher den größten Einfluß auf den Klang. Deshalb sollten Sie zuerst einmal genau hier ansetzen, wenn Sie mit dem Klang Ihrer Gitarre nicht zufrieden sind. Sie müssen aber nicht unbedingt gleich einen neuen Verstärker kaufen, wenn Sie mit Ihrem nicht zufrieden sind. Betreiben Sie ihn einfach im linearen Bereich (d.h. ohne Verzerrung), sofern die Laustärke ausreicht, und überlassen Sie die Erzeugung der Oberwellen einem vorgeschalteten Effektgerät, das Sie noch nicht einmal kaufen müssen sondern mit ein wenig bastlerischem Geschick für wenig Geld selbst bauen können.

Auch ist der Austausch der Tonabnehmer oft nicht nötig. In den meisten Fällen ist lediglich die elektrische Innenverschaltung Ihrer E-Gitarre derart simpel und entgegen allen elektrotechnischen Grundsätzen ausgeführt, daß die Tonabnehmer einfach nur falsch belastet werden und ihre klanglichen Eigenschaften überhaupt nicht zum Tragen kommen. Hier bietet sich ein Totalumbau an, der viel einfacher durchzuführen ist, als Sie jetzt vielleicht denken. Eine zu niedrige Resonanzfrequenz und/oder zu geringe Resonanzüberhöhung läßt sich oft mit relativ einfachen Mitteln korrigieren. In Möglichkeiten der Klangverbesserung und Umbauanleitungen für Elektrogitarren ist beschrieben, wie man das selber machen kann.

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